Der Marienhymnus Akathistos
Der Akathistos Hymnos ist der dichterisch schönste Hymnos zur Ehre der Gottesmutter in der Orthodoxen Kirchen.
Der Name A-kathistos besagt, dass der Hymnus, etwa im Gegensatz zu den Kathismen, stehend bzw. nicht-sitzend gesungen wird.
Er besteht aus Prooemion und 24 Strophen die jeweils mit dem Buchstaben des griechischen Alphabets beginnen.
Wahrscheinlich wurde der Akathistos anfänglich einige Tage vor Weihnachten gefeiert; heute singt man ihn am fünften Samstag der Fastenzeit während des Morgenoffiziums. Ursprünglich wurde er in Konstantinopel, am Ende eines Vigiloffiziums, zelebriert; für dieses Offizium hat Romanos Melodos seine Kontakia geschrieben. Deswegen wird dieser Hymnus bisweilen ihm zugeschrieben, aber wahrscheinlich ist er schon vor Romanos entstanden.
Die ungeklärte Autorschaft des Akathistos lässt auch die Frage nach der Verfassungszeit offen. Sie wird zwar zwischen dem 4. und 9. Jahrhundert angegeben, dürfte aber näher zwischen dem Ende des 5. Jahrhunderts und Anfang des 7. Jahrhunderts liegen.
Die „nullte“ Strophe des Akathistos wurde später verfasst, als Dank an Maria, dass sie die Stadt vor einer Belagerung (626) bewahrt hat; seit dieser Zeit betet man den Akathistos stehend.
Inhaltlich gliedert sich der Akathistos in zwei Teile.
Der erste, narrative Teil (1-12) handelt
von der Verkündigung Mariens (1-4),
vom Besuch Mariens bei Elisabeth (5),
von den Zweifeln Josephs (6),
der Anbetung der Hirten (7)
und der Magier (8-10),
dem Besuch in Ägypten (11)
und schließlich der Darstellung Christi im Tempel (12).
Im zweiten, theologisch-dogmatischen Teil wird die Neue Schöpfung behandelt, das heißt das Mysterium der Menschwerdung des Schöpfers und Logos Gottes und des Heils des Menschen.
Der Akathistos ist von besonderem Interesse auch für den theologisch-kirchlichen Austausch zwischen der Kirche des Ostens und des Westens. Der Hymnos wurde bereits gegen 800 ins Lateinisch übersetzt und erfuhr allmählich eine Verbreitung in allen Ländern Westeuropas. Sein Einfluss in der Sprache und der dichterischen Form der westlichen mariologischen Hymnographie ist beachtlich, besonders für die Zeit nach dem 11. Jahrhundert. Der Akathistos verbindet somit die Ost- und die Westkirche in einer Zeit der zunehmenden Entfremdung und Spaltung.