Der Brief an die Römer
Der Brief an die Römer ist der umfangreichste und wichtigste Brief des Apostels Paulus. Er ist „die reife Frucht der paulinischen Theologie“ (Thomas Söding, kath. Theologe)
Autor: „Paulus, Knecht Christi Jesu berufen zum Apostel“ (Röm 1,1) –
schon in der Absenderangabe zeigt sich das Selbstbewusstsein des Apostels Paulus, er führt sein Wirken ganz auf Jesus Christus zurück; dieser ist „sein Chef“.
Mitwirkende: „Tertius, der Schreiber dieses Briefes“ (Röm 16,22)
Überbringerin: „Phöbe, die auch Diakonin der Gemeinde von Kenchreä ist“ (Röm 16,1)
Adressaten: „An alle in Rom, die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen“ (Röm,1,1)
Es gab in Rom Christen, die sich in Hausgemeinschaften versammelten (in der Grußliste in Röm 16,5-15 werden fünf solcher Hausgemeinschaften genannt, in denen auch Frauen eine besondere Rolle spielten.) Es gab zur Zeit der Abfassung wohl keine feste Gemeindestruktur.
Abfassungszeit:
Die Reiseplänen des Apostels Paulus (Röm 15,14-29) deuten auf den Winter 56/57 in Korinth als Abfassungszeit dieses Schreibens hin.
Situation:
Der Römerbrief ist der umfangreichste und wichtigste Brief des Apostels Paulus.
Seit dem Altertum führt er die Reihe der Apostelbriefe an. Er ist an die Gemeinde der römischen Hauptstadt gerichtet, um sie für die Unterstützung einer Mission in Spanien zu gewinnen, die Paulus plant. Um sich der Gemeinde, die er nicht selbst gegründet hat, vorzustellen und um etwaige Vorbehalte gegenüber seinem Programm wie seiner Person auszuräumen, gibt Paulus eine theologische Visitenkarte in Form eines genau durchdachten Traktates zur christlichen Erlösungslehre ab.
Der Ursprung der christlichen Präsenz in Rom, dem Zentrum des Römischen Reiches, liegt im Dunkeln. Vermutlich haben christliche Missionare zunächst in Synagogengemeinden oder deren Umfeld Fuß gefasst. Dabei scheint es zu Auseinandersetzungen gekommen zu sein, die Kaiser Claudius Ende der 40er Jahre dazu nutzte, gegen die Juden vorzugehen (vgl. Apg 18,2).
Paulus geht in seinem Schreiben davon aus, dass die Gemeinde in Rom mehrheitlich aus Heidenchristen besteht, jedoch muss er auch mit einer judenchristlichen Minderheit gerechnet haben, die – nach der Grußliste in Röm. 16,3-15 – auch einige Hausgemeinschaften geleitet haben.
Thema des Schreibens:
Evangelium von Tod und Auferstehung Christi als „Kraft Gottes zur Rettung für jeden, der glaubt“ (Röm 1,16)

„Ist Gott für uns – wer ist dann gegen uns?“ – Grafik zu Röm 8,28-31 von G. M. Ehlert
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Im Hintergrund steht die Frage: „Wie kann der Mensch vor Gott bestehen?“
Eine Möglichkeit, die Lehre des Briefes an die Römer – deren Denken vor allem durch Kategorien des Rechts geprägt waren – besser zu verstehen, ist es, ihn als eine Art Gerichtsverhandlung zu verstehen.
Ausgangspunkt: alle sind als Schuldige angeklagt. Höhepunkt: alle werden von Gott, dem gerechten Richter, nicht nur freigesprochen, sondern gerecht gemacht durch den Glauben an die Erlösungstat Christi. Dies schenkt denen, die an Christus glauben, eine ganz neue Freiheit.
Aufbau des Schreibens:
In einem ersten Schritt (Röm 1,17 – 3,20) zeigt Paulus auf, dass prinzipiell jeder Mensch Gott „an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft“ wahrnehmen kann. Daher ist der Mensch für seine Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit selbst verantwortlich. Wer entgegen der Schöpfungsordnung lebt, hat den Tod verdient.
Auch das Volk Israel, das Gottes Bundeszusage und seine Lebensweisungen bekam, jedoch sie nicht beachteten, steht nicht besser da. Durch die göttlichen Weisungen – „das Gesetz“ – kommt es nur zur Erkenntnis der Sünde. (Röm 3,20)
In einem zweiten Schritt (Röm 3,21 – 5,21) legt Paulus dar, dass in dem Geschehen von Tod und Auferstehung Christi „unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart“ wurde.
Das gerecht machen aller Sünder geschieht durch Jesus Christus, den Gott am Kreuz „aufgerichtet hat als Sühnemal… zum Erweis seiner Gerechtigkeit durch die Vergebung der Sünden.“ Wirksam wird dies durch den Glauben. (Röm 3,21-26) – Was heißt das? Gerechtigkeit im biblischen Sinn ist die Treue zum Bund Gottes mit den Menschen. Der Mensch kann seine Untreue nicht selbst wiedergutmachen z.B. durch soziale oder fromme Werke, sondern allein durch den Glauben an die Erlösungstag Christi wird er von Gott wieder in den Zustand eines „Gerechten“ gebracht.
Eine solche „Rechtfertigung“ zeigt Paulus am Beispiel Abrahams auf. (Röm 4,1-25)
„Abraham glaubte Gott und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet.“ (Röm 4,3) – Dieses nicht anrechnen der Sünden ist unabhängig von der Beschneidung – mit der der Mensch besiegelte Bundespartner Gottes geworden zu sein. Auf dieser Grundlage bekommen sie die Verheißung „Erben der Welt“ zu sein – nicht erst aufgrund des Gesetzes, das durch Mose hinzugekommen ist.
Dieser Gedankengang öffnet den Zugang zum ewigen Heil für Menschen aller Völker – über das besondere Volk des Bundes hinaus. (5,1-21) Wir alle „gerecht gemacht also aus Glauben haben Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ (5,1)
In einem dritten Schritt (Röm 6,1 – 8,39) zeigt Paulus auf, welche Freiheit sich aus einem Leben in der Verbundenheit mit Christus ergibt, das den Menschen durch Glaube und Taufe auf Christi Tod und Auferstehung ermöglicht wird. Es ergibt sich ein „Herrschaftswechsel“ von der beherrschenden Macht der Sünde und des Todes, welche bisher das Leben bestimmte zur Herrschaft der Gnade Gottes, die fortan das Leben bestimmen soll.
Das mosaische Gesetz ist nicht mehr der Beurteilungsmaßstab, sondern ein fruchtbringendes Leben aus dem Glauben an Jesus Christus.
In dem zentralen Kapitel entfaltet Paulus die von Gott geschenkte „Freiheit der Kinder Gottes“ (Röm 8,1-39) in 7 + 1 Punkten:
(1) in Gemeinschaft mit Christus leben – als befreite vom Gesetz der Sünde und des Todes;
(2) die Ohnmacht des Fleisches in der Kraft des Geistes überwinden;
(3) ein vom Geist Gottes bestimmtes Leben;
(4) aus dem Geist leben als Kinder Gottes und Miterben Christi;
(5) zusammen mit der ganzen leidenden Schöpfung hoffnungsvoll leben;
(6) in aller Schwachheit auf Gottes Geist vertrauen;
(7) im Vertrauen auf die Vollendung mit Christus;
Paulus schließt (8) mit einem Lobpreis der Gerechtfertigten.
In einem vierten Schritt (Röm 9,1 – 11,36) erörtert Paulus die Rolle des Volkes Israel in Gottes Plan.
Er beschreibt Israels Erwählung zu Gottes besonderem Bundesvolk (9,1-29); und seine Verstockung (9,30 – 11,2) und er schließt mit der Hoffnung auf Israels Rettung (11,13-30).
In einem fünften Schritt (Röm 12,1 – 15,13) ruft Paulus die Gemeinschaft der Christen auf, diesen Glauben in ihrem alltäglichen Leben zu bewähren. Kraft der Barmherzigkeit Gottes gilt es, selber als liebende Menschen zu leben, das ist für Paulus der „logos-gemäße“, d.h. der vernünftige Gottesdienst.
Nicht die Teilnahme an besonderen „Opfergottesdiensten“ oder anderen liturgischen Feiern ist für Paulus entscheidend, sondern die Praxis der Liebe:
sie zeigt sich im Umgang mit den je unterschiedlichen Begabungen im alltäglichen Miteinander (12,1-21);
sie zeigt sich im rechten Verhalten im Blick auf die staatliche Ordnung und den Geboten (13,1-14);
sowie im Umgang der „Starken“ mit den „Schwachen“ in der Gemeinde (14,1 – 15,13);
Abschluss
Paulus schließt seinen Brief mit einem Hinweis auf seine Reisepläne (15,14-29); mit einem Aufruf zur Fürbitte und dem Segenswunsch für die Empfänger des Briefes.
Die wäre eigentlich der passende Schluss des Briefes.
Wie ein Anhang folgt im Kapitel 16 eine Empfehlung, die Überbringerin des Schreibens, die Diakonin Phöbe gastfreundlich aufzunehmen und eine längere Grußliste.
Der Brief schließt nun mit einem kunstvoll gestalteten Lobpreis Gottes (möglicherweise ein späterer Zusatz zum ursprünglichen Brief).
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Im Folgenden ein Blick auf den ebenfalls kunstvoll erweiterten Briefbeginn, der in anderen antiken Briefen knapp aus der Angabe von Absender, Adressat und Gruß besteht, hier jedoch werden die Angaben zu Paulus als Absender und zu den Empfängern des Schreibens in Rom schon mit dem Evangelium von Jesus Christus verknüpft:
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Wirkungsgeschichte des Paulusbriefes
Der Paulusbrief hat in der Kirchen- und Theologiegeschichte eine bedeutende Rolle.
Sein Thema: Die Rechtfertigung des einzelnen Menschen vor Gott durch die Erlösung in Jesus Christus waren z.B. für Augustinus (354 – 430 n. chr.) und für den Reformator Martin Luther (1483 – 1546) sehr entscheidend für ihre Bekehrung und prägend für die Zeit der Reformation.
Dieser Brief enthält zudem wichtige Aussagen zur Lehre der Kirche
– über Jesus Christus und die Erlösung der Menschen…;
– über das Verhältnis von Christen und Juden im Heilsplan Gottes…;
– zur Frage nach dem Verhältnis von Gerechtigkeit und Gnade…
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Links:
- Röm 1,1 – 16,27 Gliederung u. Text
- Röm 1,1-17: Briefbeginn
- Röm 5,1-5: Übersetzung G. M. Ehlert; Gottes-Liebe-ausgegossen
- Röm 6,1-14: Eins werden mit Jesu Tod und Leben durch die Taufe
- Röm 8,9-13: Leben aus dem Geist Gottes
- Röm 8,12-17: Als Gotteskinder sind wir Miterben Christi
- Röm 8,28-31: Glaubenshoffnung der Kinder Gottes
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